USA – Arizona - Face the changes.
Arizona – Einer der Höhepunkte einer jeden USA Reise.
Arizona – Der Staat des Grand Canyon.
Weil im Juni in den USA die Campingsaison beginnt, hatten wir bereits vor Wochen Campingplatz-Reservierungen am Grand Canyon sowie für die Weiterfahrt auch schon in Moab, Utah abgeschlossen. Zusätzlich ließen wir unsere fehlende Wüstenausrüstung von Amazon nach Flagstaff, Arizona, liefern, auch der bereits erwähnte Termin für die zweite ausstehende Coronaimpfung steht dort fest!
Kann nichts mehr schiefgehen!
Ohhhhh, doch! Wie Ihr im Bericht von Björn lesen konntet.... kurz vor der Grenze zu Arizona verabschiedet sich die Elektrik in der Fahrerkabine unseres Toyotas HDJ 80. Einem Offroader, der nach herrschender Meinung vieler Weltreisenden DAS unkaputtbare Fortbewegungsmittel schlechthin ist. Er wurde weltweit verkauft, ergo kann das Auto auch überall auf der Welt repariert werden. ...bei mir schleicht sich die Erkenntnis ein: Dieses Auto MUSS auch überall auf der Welt repariert werden! Dieses Mal bringt mich nichts davon ab, gegen den Reifen des Toyota zu treten!
Am Tag vor dem Kurzschluss in unserem Blauen habe ich geträumt, dass wir –bevor wir die ganzen Reservierungen wahrnehmen können- wieder zurück nach Deutschland fliegen. Böse Vorahnung? Zufall? Oder nur Angst davor, dass genau das passiert?
Wir haben schon Erfahrung was Gebrauchtwagenkäufe angeht und wie es um die Zuverlässigkeit älterer Autos bestellt ist. Ein Ersatzteillager mit sich herumzufahren ist daher immer eine gute Idee, vor allem bei Autos aus den 90er Jahren, für die Ersatzteile nur noch schwer zu erhalten sind. Aber – Murphys Gesetz - genau DIE benötigten Ersatzteile sind natürlich nicht an Bord. Wer denkt schon daran, dass bei einem gepriesenen Allradler, der eben noch wenig Elektrik besitzt, genau diese noch darin verbaute schließlich versagt und durchbrennt?
Ich fühle mich geprügelt und ärgere mich über mich selbst, den Kauf und den gesamten Aufbau auf dieses Auto nicht vehementer unterbunden zu haben. Ich war die mahnende Stimme, wurde letztlich überzeugt... oder eher überstimmt?.. übergangen? In mir brodelt es...
Bereits in Alpine war uns klar geworden, dass sich der Blaue so schnell nicht mehr aus eigener Kraft bewegen wird, also mussten wir uns der Frage stellen, wie wir jetzt weiter machen.
Abbruch der Reise? Was passiert dann mit dem Blauen? Verkauf am Stück ist in USA aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Verkauf in Einzelteilen? Anscheinend gieren Amerikaner nach Dieselmotoren. Und der ist ja noch in Ordnung. Hm, ja, das wäre gesetzlich möglich, bricht uns aber das Herz. Wieviel Zeit, Schweiß und Mühe haben wir in den Innenausbau gesteckt... Also Ausschlachten ist definitiv keine Option.
Was bliebe noch?
Verschiffen des Blauen in diesem Zustand nach Hause und wir bleiben in den USA? Aber wie? Mietcamper für die restliche Zeit? –mal abgesehen davon, dass Mietcamper fast nicht zu bekommen sind: Corona hat den Markt leer gefegt – sind die Preise außerirdisch.
Oder nur einen kleinen, sparsamen fahrbaren Untersatz mieten und Übernachten in Motels einplanen?
Und/oder Festland USA verlassen und Inselhopping auf Hawai´i, der Karibik oder was auch immer? Mit dem Blauen zurück nach Europa und dort das restliche Sabbatjahr mit seiner Reparatur zubringen?
Oder daheim ein neues WoMo kaufen und Europa bereisen?
...alles Optionen, aber alles auch in unseren Augen unangemessen und doof irgendwie... Außerdem WILL ich NICHT nach D zurück! Noch nicht! Und schon gar nicht bloß wegen des Toyotas! Basta! …Ach Menno…
Wir entscheiden uns also vorerst für das Prinzip Hoffnung, dass wohl doch der Wagen irgendwie zu reparieren ist. Die nächstgelegene Werkstatt war also – wie in Björns Bericht zu lesen - Phoenix oder besser: Mesa. Ein Angebot aus D, einen intakten Kabelbaum zu uns nach USA zu schicken, verstärkte die Hoffnung auf ein gutes Ende zusätzlich.
Grün ist die Hoffnung
Nach einiger Zeit in Mesa wird uns klar, dass es keinen Sinn macht, selbst in dieser Werkstatt mitzuschrauben. Außerdem bin ich es langsam leid, dem Auto die gesamte Bestimmung der Reiseroute zu überlassen. Um auf Ersatzteile zu warten, hatten wir schon den ein oder anderen Tag Pause eingelegt, an Orten, an denen wir anderenfalls wahrscheinlich vorbei gefahren wären. Zugegeben hat uns das auch die ein oder andere gute oder sogar sehr gute Bekanntschaft und Erfahrung beschert, aber weder Jackson (Mississippi), noch Mesa (Arizona), lagen wirklich auf unserer geplanten Reiseroute.
Naja, genau genommen hat bereits der Ausbruch der Coronapandemie die gesamte ursprüngliche Reiseplanung zerschlagen. Worüber ich jetzt im Nachhinein richtig erleichtert bin: was wäre passiert, wenn uns die Elektrik des Toyotas entweder in the middle of nowhere in Kanada (Bären!!) oder in Südamerika um die Ohren geflogen wäre?
Damit sich unser Aufenthalt in Phoenix nicht wie „stranden“ anfühlt, und um dieser entsetzlichen Hitze hier zu entkommen, entschließen wir uns einen Billigcamper der Marke Escape Campers zu mieten, der glücklicherweise für die nächsten 14 Tage noch zu haben ist.
Mit dem neuen fahrbaren Untersatz planen wir eine Runde ab / bis Phoenix, da der Blaue bis zu unserer Rückkehr hoffentlich wieder läuft. Die Stationen sollen sein: Mesa (Phoenix) – Ministädtchen Pine in den Bergen (Abkühlung!!!) – Meteor Crater – Petrified Forest National Park – Moab, Utah (Canyonlands und Arches National Park) – Grand Canyon – Flagstaff – Mesa (Phoenix). Zum Abschied werden wir von der Werkstatt geradezu überfrachtet mit Tipps für besuchenswerte Orte, und erhalten zudem die Versicherung, dass sie sich die nächsten Tage gut um den Blauen kümmern werden.
Wir fahren in etwas erhellter Stimmung los, freuen uns, nun doch noch die Highlights zu sehen, wenn auch in einem anderen Camper und ohne Campingreservierung, die hatte ich bereits storniert. Egal, wird schon alles irgendwie gehen. Face the changes.
Während dieser ersten Fahrt in unserem „neuen“ Grünen schwant uns auch warum der Camper noch verfügbar war: er ist völlig runtergeratzt, die Türen lassen sich nur mit ordentlich Gewaltanwendung schließen, Wassertank oder Kühlschrank fluten während der Reise den Innenraum. Und wieder sagen wir uns: „Egal“, wir mussten nehmen was noch da war – und um es vorweg zu nehmen, der grüne Frosch lässt uns die nächsten 14 Tage nicht im Stich.
Wir übernachten im angenehm kühlen Pine.
Am nächsten Morgen erhalten wir zum Frühstück eine sms-Nachricht aus Mesa/Phoenix. Mir verkrampft sich der Magen: Die Werkstatt gibt auf. Sie denken nicht, dass sie mit dem von uns gesetzten Kosten- und Zeitlimit hinkommen werden. Es tue ihnen leid. Wir können aber selbstverständlich den Wagen so lang bei ihnen stehen lassen, bis wir einen Transport nach D organisiert haben, oder mit unserem Camper zurück in Phoenix sind.
Face the Changes... oder besser ein Schlag ins Gesicht, da sich vor einigen Tagen die Aussagen der Werkstatt noch anders angehört hatten, allerdings hatten wir da noch kein Kostenlimit genannt.
Was nun? Ein unangenehmes Gefühl im Bauch redet mir ein, dass der Blaue nie wieder mit uns reisen wird, wenn er nicht in USA repariert werden kann. Allerdings sind die Amerikaner nicht so vertraut mit einem Dieselmotor.
Also jetzt noch ein letzter Versuch... Dank der Freunde aus Mississippi haben wir noch einen bisher ungenutzten Kontakt und die Empfehlung für eine Werkstatt in Kalifornien. Einige Telefonate später ist klar: der Blaue kommt nach Kalifornien und wir fahren ihm im Mietcamper hinterher. Nach Phoenix zurück müssen und wollen wir unter diesen Umständen nicht mehr. Zeitlich würde alles passen, bis zur Abholung des Blauen durch den Transporteur vergehen ca. 3-5 Tage, der Transport an sich dauert mindestens weitere 2, solang darf er in Phoenix stehen bleiben, das Aufladen wird die dortige Werkstatt noch überwachen.
Nachdem für den Blauen alles organisiert ist, holen wir uns unsere zweite Covid19-Impfung – spontan online einen anderen Termin gebucht – und fahren nun zuerst über den Meteor Crater (Tourifalle!?) und den Petrified Forest (Top!) an den Grand Canyon. Während der Fahrt lenken wir den aus Deutschland georderten, gebrauchten Kabelbaum des Toyota in der Verschiffung von Phoenix nach Kalifornien um.
Impressionen des Einschlagloches des Meteor Craters
Achtung: in den 22 USD Eintritt pro Nase ist eine geführte Wanderung um den Krater inbegriffen… von angekündigten 30 Minuten werden ganze 2 gelaufen, in weiteren 15 erhält der Gast Geschichte und Geschichten rund um den Meteoriteneinschlag und die restliche Zeit lauscht man ehrfürchtig den Sicherheitsbestimmungen: Achtung Privatbesitz, Wüste, Hitze und Absturzgefahr, …und ach ja, bitte besucht den Souveniershop.
Impressionen des versteinerten Petrified Forest
Der Nationalpark beherbergt eigentlich zwei Naturspektakel: versteinertes (verkieseltes) Holz sowie die „bemalte Wüste“. Letzteres bildet eine Landschaft, bei der durch Erosion übereinander liegende, verschiedenfarbige Gesteinsschichten freigelegt sind. Rot = Hoher Eisengehalt, weiß = Sandstein, jüngste Gesteinsschicht meist mit Kohlenstoff durchsetzter, dunkler Ton.
Das versteinerte Holz besteht aus hartem Quarz. Vor unglaublich langer Zeit (mehreren hundert Millionen Jahren) wurden die Baumstämme eines Nadelwaldes mit Schlick und Sediment überschwemmt, verdichtet und aufgrund fehlenden Sauerstoffs nicht zersetzt. Quarze lagerten sich ein, erhielten und ersetzten die Zellstruktur.
Grand Canyon
Trotz dass mich vor allem der Petrified Forest wirklich beeindruckt hat, kann ich nicht so ganz von der Situation mit dem Blauen abschalten. Recht häufig geraten Björn und ich über vordergründig anderes in Streit. Wir ziehen aber tapfer den jetzigen Plan durch und gelangen am vierten Tag an den einzigen Campingplatz der im South Rim des Grand Canyon - Nationalparks angesiedelt ist. Getreu dem Motto: Jetzt ist es sowieso schon wie es ist... wir versuchen das Beste daraus zu machen...
Uns begrüßt ein Aufsteller mit der Aufschrift : Campgroud full.
Laut Homepage gibt es jedoch einige, nicht reservierbare first come - first serve - Plätze. Das Schild ignorierend versuchen wir unser Glück am Check-In des Campgrounds. Wir erfahren, dass die first-come Plätze überhaupt nicht existieren. Enttäuscht jammern wir etwas rum von wegen das steht aber auf der Homepage…wir sind Deutsche und das erste Mal am Grand Canyon…unser eigener Camper ist kaputt, weshalb unsere Reservierung eine Woche vorher verfallen ist... heul ... böse Welt...
Wider Erwarten zeigt das Wirkung! Es gibt auf einigen staatlichen Campgrounds so genannte „emergency-Plätze“, die nicht online gebucht werden können. Und wir sind sowas von einem Notfall! Die Rangerin hat Mitleid und wir somit einen Platz für den restlichen Tag und die kommende Nacht. Juppiii, manchmal läuft es dann halt doch!! Und ihr werdet es nicht glauben, am nächsten Tag sind andere Ranger anwesend, denen wir die gleiche Geschichte noch einmal erzählen und erneut dürfen wir eine Nacht auf einen Emergency-Platz auf dem Campground verbringen ☺.
Nachdem wir unseren Stellplatz für die erste Nacht bezogen haben, ist uns nach physischer Bewegung. Um den Kopf frei zu bekommen und nicht an kaputte Autos denken zu müssen.
Glücklicherweise gibt es vom Campground aus einige Wanderwege zum Canyon hin, wir machen uns mit ausreichend Wasser sofort auf den Weg.
Wer Björn kennt, der weiß, dass er normalerweise äußerst kommunikativ ist. Als wir durch den lichten Pinienwald hindurch auf den riesigen Riss in der Landschaft stoßen, sagt er ... einfach gar nichts mehr.
Stille.
Das bleibt auch so für die restliche Wegstrecke entlang des Kamms. Er vergisst sogar zu fotografieren, ist völlig geplättet von diesem Anblick. Als ich mir beginne Sorgen um ihn zu machen, findet er an einem Rastpunkt kurzzeitig seine Stimme wieder und meint: Hier versage ihm sogar das dreidimensonale Sehen, das wirke alles so surreal. Fast wie eine gemalte Kulisse.
Las Vegas
Nach zwei Tagen und Nächten am South Rim machen wir uns schweren Herzens auf Richtung Las Vegas, wo wir – bei 45°C durchgegart - zwei weitere Tage verbringen und Arizona Richtung Nevada und Kalifornien verlassen werden.
Hoover Dam und Lake Mead
Zwischendurch stoppen wir am 1935 gebauten Hoover Damm, der die Wüstenstadt mit Elektrizität und Wasser versorgt. ...Ist die Frage, wie lange noch, wenn man den heutigen Wasserstand mit dem von 1980 vergleicht. In den 80er Jahren standen die Pfeiler bis zu den Zugangsbrücken unter Wasser, die weiße Farbe an den Felswänden war nicht zu sehen.
Den Versuch, im Lake Mead einen Badestop einzulegen, haben wir schnell aufgegeben, da der niedrige Wasserstand am Boulder Beach und ein konstanter Wüsten-Wind/Sturm nicht wirklich einladend waren... im Gegensatz zur steigenden Tagestemperatur sinkt meine Stimmung in Richtung Gefrierpunkt. Meine Gefühle gegenüber dem defekten Toyos tauchen wieder auf und versuchen sich Bahn zu brechen. Mit knirschenden Zähnen und in das Lenkrad des Grünen verkrallten Fingernägeln fahre ich uns über die Staatsgrenze nach Kalifornien.