Spanien - Camino del Norte von Ribadeo bis Santiago

Hoch auf dem gelben Wa-ha-gen

Lieg-get mein Rucksack vorn

Gern hätt‘ ich ihn noch getra-ha-gen 

Doch Correos fährt ihn schon davon

Wir laufen durch Wälder und Auen

Leuchtendes Ährengold

Ich möchte so gerne noch schau-hau—hauen,

Aber der Don-ner er grollt!“

 

Fuß-Pilger in der Schenke

Futtern Tortillas im Flug

Schäumendes Gerstengetränke

Reicht der Wirt dazu im Krug

Hinter dem Straßengraben

Soll der Camino-Weg sein?!

Muss einen Umweg ertra-ha-gen

Lässt mich der Hund nicht hinein!

(Textgrundlage Volkslied nach Rudolf Baumbach 1878 und Interpretation Walter Scheel 1973)

Hoch auf dem gelben Wagen

Neben dem Päckchenservice, den wir bereits in Anspruch nahmen (Siehe vorherige Blogeinträge) hat die spanische Post Correos die Pilger für sich auch noch anders als spezielle Zielgruppe entdeckt. Wir haben uns immer gewundert, dass diverse Rucksäcke -und Rollkoffer- bereits in der Herberge herum liegen, wenn wir verschwitzt, keuchend und mit verspannten Schultern angeschlurft kommen. Unterwegs haben uns leichtfüßige Pilger nicht selten gut gelaunt aus einem Café mit selbigem & einer Tortilla patata zugeprostet. Manche an einem Tag gleich mehrmals… immer nach dem Hase-und-Igel-Motto „ich bin schon da!“ Weiß‘ der Kuckuck, wie sie uns mehrfach unbemerkt überholen konnten! Das zehrt echt am Selbstbewusstsein!! Bis schließlich eine junge Engländerin (Greetings, Emma!) uns ihr Geheimnis offenbarte: Correos bietet auch einen Gepäcktransport von Herberge zu Herberge an. Dieser ist täglich online bis 21 Uhr für den Folgetag buchbar. Der gewichtgepeinigte Pilger kann sich also täglich neu entscheiden, ob er selbst seinen Rucksack zum nächsten Etappenende bringt oder ob er dies dem spanischen “gelben Engel” überlässt.

…bei mir hatte allein das Wissen um diese Möglichkeit einen solchen positiven psychologischen Effekt, dass es mir buchstäblich Flügel sowie den Ehrgeiz verlieh, diesen verflixt zu voll gestopften Rucksack ohne fremde Hilfe nach Santiago bringen zu wollen.

Aber der Donner er grollt

Allerdings hat Correos noch kein Angebot bei totalem Materialversagen: In Galizien ist das Wetter unbeständig? Können wir uns nach drei Wochen Sonnenschein am Küstenweg gar nicht vorstellen. Bis wir die galizischen 40% Regenwahrscheinlichkeit kennenlernen. Unsere bisher zuverlässige Regenausrüstung fühlt sich nach 10 Minuten Mit-Rucksack-im-Regen-Wandern an, als hätten wir gar keine übergezogen. Also was tun? Correos die deutschen Regenjacken heim bringen lassen und im einzigen verfügbaren Sportgeschäft in Ribadeo, dass ein Sortiment an Wandernbekleidung erhoffen lässt, zwei Rucksackregenponchos kaufen. Wir landen in einem Decathlon und ergattern hier die zwei letzten Plastiktüten— Ähm, nein: Regenüberwürfe. Die halten allem Anschein nach auch galizische 80 bis 100% Regenwahrscheinlichkeit aus. Allerdings erscheinen wir damit wie Santa Claus und Knecht Ruprecht auf Abwegen… 

 

Lässt mich der Wachhund nicht hinein?

Direkt am Camino haben wir die Erfahrung gemacht, dass hier die Hunde entweder angeleint, eingezäunt oder schlichtweg den Pilgern überdrüssig sind. Wir laufen mit unseren Wanderstöcken klappernd den Camino entlang, sind also auch für den ältesten Hund weit im Voraus vernehmbar. Kleine Kläffer ereifern sich dann auf der anderen Seite des Zaunes bis zur Extase. “Knurrrr-Waff-Waff-Wiff-Wiff” -Luft holen- “wiffwiffwiffwiff”! Hoffentlich fällt nicht mal einer wegen Hyperventilation vor unseren Augen ins Koma! 

Ganz anders die Hunde in ernst zu nehmender Größe… sprich Schäferhund aufwärts… Wenn wir hier OHNE für ein Foto anzuhalten einfach ruhig an ihren Revieren vorbei ziehen, denken sie sich wahrscheinlich: “Blooooß nicht hin sehen, sonst muss ich bellen…und dazu hab ich momentan so überhaupt keinen Bock!“ Sie bleiben meistens muxmäuschenstill liegen, wenden den Kopf sogar ab.

 

Aber wehe wenn der Camino mal verlassen wird:

Wir entschließen uns an einem Tag, an dem wir 3 km abseits des Camino übernachten müssen, nicht mehr die gleiche Strecke und Distanz zu ihm zurück zu laufen, sondern einen andern Weg zu nehmen, der nach 15km wieder auf den Camino stößt. Spart Kilometer und Zeit und ist bestimmt genauso schön. Dabei werden wir einige kleine Dörfer kreuzen. Zu Beginn windet sich der Weg malerisch durch Felder und eine Heide-Landschaft. So lieblich und friedlich. Dann kommen wir an das erste Dorf, welches insgesamt genau drei Höfe zählt, zwei links und einer rechts des Asphaltsträßchens. Den ersten Hof links passieren wir ohne auf irgendwelches Leben auf zwei oder vier Beinen zu stoßen. Nur blühende Hecken, der obligatorisch angebaute Mais und geschossener Kohl. Wir bemerken im Vorübergehen jedoch, dass am kommenden benachbarten Hof links ein Schäferhund bereits auf uns wartet. Beruhigender Weise trennt uns ein ausreichend hoher, nicht allzu rostiger Maschendrahtzaun. Wir beschließen, gemäß unserer bisherigen Taktik, einfach den Hund ignorierend weiter zu laufen. Klappt… bedingt… wider Erwarten kläfft der Köter vernehmlich aggressiv und rennt am Zaun aufgeregt auf und ab. Egal, einfach nicht hinsehen und weiterlaufen. Das Bellen wird lauter. Es scheint plötzlich von mehreren Seiten zu kommen. Björn entfährt neben mir ein überraschtes „Uha!“, jetzt wende ich meinen eben noch stur geradeaus gehaltenen Blick auch und schaue zum Hof auf der RECHTEN Straßenseite. Die drei frei laufenden Schäferhundmischlinge hier hatten wir übersehen. 

Sie springen auf uns zu. Bellend. 

Alle drei in der Gruppe. Mist. 

Einfach nicht hinsehen hilft hier nicht mehr. Ohne uns abzustimmen wenden wir das bisschen Spanisch an das wir können… Akt der Verzweiflung: wir reißen die Wanderstöcke in die Höhe und brüllen die Hunde an: „NO! ALTO!“

 

Ich hätte nie das erwartet, was jetzt passiert: Die Viecher stoppen so abrupt, dass sie Staub auf wirbeln. Die zwei Hunde hinter dem Anführer wenden sofort und verschwinden im Stall des Hofes, der Anführer blickt sich verstört um und weiß ohne Rückendeckung nicht so ganz, was er machen soll. Sein Gesichtsausdruck ist eine einzige Verunsicherung, er blinzelt, dreht die Ohren hin und her, schluckt, setzt sich hin und lässt uns unbehelligt weiter ziehen. Er tut mir fast leid, vielleicht wollte er uns nur etwas zu stürmisch begrüßen?

Wir wandern mit erhöhtem Tempo weiter, das Adrenalin muss ja irgendwie wieder abgebaut werden. 

Vor den nächsten Höfen sammeln Björn und ich gemäß Ratschlag aus dem Pilgerführer lieber noch jeweils einen faustgroßen Stein… Munition… ich fühle mich so sicherer, wer weiß, ob der nächste freilaufende Wachhund wieder genauso durch unser Anbrüllen in Schach zu halten ist. Und tatsächlich begegnen wir vor dem offiziellen Camino noch einmal einem freilaufenden Schäferhund. Auch er reagiert auf ein Hochreißen der Wanderstöcke mit bestimmend gerufenem „Alto!“. Er stoppt seinen Galopp, macht einen Bogen um uns und folgt uns in gebührendem Abstand bis zum Ortsausgang. Dann bleibt er stehen. Die gesammelten Steine legen wir als kleinen Dank an die Schutzengel auf der nächsten Camino-Markierung ab. Wir werden sie für nichts anderes mehr benötigen.

Da wir uns (bis auf Snoopy) strikt an die Vorgabe gehalten haben, eben nicht bei diesen Vierbeinern für Bilder zu stoppen, gibt es harmlose Landschaften unseres Weges an beschriebenen Tag als Ersatz 😊.

Wo soll der Camino-Weg sein?

Die galizische Bevölkerung ist -zumindest am Camino del Norte- so unglaublich liebenswert besorgt und bemüht, (vermeintlich) verirrte Pilger wieder auf den Camino zu leiten:

Wir haben aufgehört zu zählen, wie oft wir abseits des Weges angehalten wurden. „Camino (…) a la derecha (…)! Mejior!” = „Der Camino verläuft weiter rechts. Der Weg dort ist besser!“ (soweit wir das mit unserem Google-Übersetzer-Spanisch richtig interpretiert haben)

Wenn wir tatsächlich mal verwirrt sind, weil die gelben Wegpfeile fehlen brauchen wir uns nur hinzustellen und verlorenen in unser Buch zu schauen, schon hält ein Auto. Kein Witz! Autofahrer halten ohne Aufforderung neben uns, steigen aus und erklären uns mit Handzeichen, wie wir wieder auf den Camino kommen. 

Unpraktisch wird dieses Zuvorkommen allerdings in dem Moment, wenn wir wie eben beschrieben, ganz bewußt NICHT auf dem Camino laufen wollen. Wie macht man das den Leuten nur klar, wenn man so verflixt wenig Spanisch spricht!!!

…“Ja, wir folgen gerade dem E-9 Wanderweg, der trifft in einigen Kilometern wieder auf den Camino“ Dieser Satz verkürzt sich bei uns auf ein „ „Si, es una alternativa!“ Werden wir verstanden, dürfen wir unseren Weg fortsetzen. Für genau weitere 10 Minuten:  und wieder erklären wir einer Passantin stotternd: Sisi, lo sé… una alternativa! 

Wir laufen weiter, gleiches Spiel dieses Mal nach bereits 5 Minuten.. Sisi, gracias!.. Alternativa!

 

Als wir in Vialba -wie bereits geschildert- drei Kilometer abseits des Camino übernachtet haben, wollte uns der Wirt am nächsten Morgen ein Taxi zum Camino zurück bestellen. Kostet nur drei Euro. Wir hatten uns aber mit GPS die Alternativwanderung zum Camino heraus gesucht und wollten nicht nach Vialba zurück. Der Wirt war skeptisch ließ sich aber schließlich überzeugen. Wir verlassen das Hotel und stoßen auf die Wirtin. Moment, zum Camino ginge es in die andere Richtung! Nein, wir sollten keine Alternativen laufen, sie führe uns lieber selbst zum Camino. Wir bedanken uns vielmals aber lehnen ab und Gehen schnellen Schrittes in die von uns gewählte Richtung. Sie lässt uns ziehen…vorerst. Wenig später hat uns der Sohn des Hauses im Lieferwagen auf unserem Weg eingeholt und bietet uns erneut einen kostenlosen Transfer an. Glücklicherweise spricht er Englisch und versteht wohl als erster in seiner Familie, dass und warum wir bewußt anders laufen. Er lacht und fährt davon.

Wir haben ihn heute jedoch nicht zum letzten Mal gesehen. Kurz bevor wir tatsächlich wieder auf dem Camino sind, hält er erneut neben uns: Wir hätten unsere Zweitschuhe vergessen und er wollte sie uns nachbringen. Björn hatte sie tatsächlich im Bad neben den Mülleimer gestellt – allerdings zum Entsorgen…Sie passten nicht mehr IN den Müll, der Eimer war zu klein und schon zu voll…

Straßenschmuck in Mondoñedo zum Heiligen Jahr 2021

Straßenschmuck in Mondoñedo zum Heiligen Jahr 2021

Zurück
Zurück

Spanien - finalmente

Weiter
Weiter

Spanien - Mehr (Meer) sehen.